Als verkleinerte Version des innovativen Aprilia bot der kleine Lancia ein kühnes und modernes Design, gepaart mit einer besonders ausgeklügelten Mechanik. Kompakt, funktional und gleichzeitig elegant, erwies er sich auch als besonders effizient und sparsam im Verbrauch.
Die Idee, zwei sehr ähnliche Fahrzeuge zu produzieren, wobei das zweite eine leicht verkleinerte Version des ersten war, entstand für das Turiner Unternehmen Anfang der 1930er Jahre mit dem Artena und dem Astura. Wenige Jahre später, im Jahr 1939, wiederholte sich dies mit dem Ardea, der neben dem revolutionären Lancia Aprilia gebaut wurde.
Der historische Kontext kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs veranlasste Vincenzo Lancia, ein Auto zu entwickeln, das erschwinglicher sein sollte als der noch in der Planungsphase befindliche Aprilia, ohne dabei auf innovative Konzepte und Stilelemente zu verzichten. Italien zahlte zu dieser Zeit hohe Wirtschaftssanktionen, die den Import von Rohstoffen aus dem Ausland – von Stahl über Aluminium bis hin zu Kraftstoffen – verteuerten: Dies waren die Folgen des Einmarsches Italiens in Äthiopien.
Nach der Vorstellung von „Monsù” Lancia sollte der Ardea das erfolgreichste Modell seiner Produktion werden. Durch seinen frühen Tod am 15. Februar 1937 war es ihm nicht mehr möglich, die Produktionsphase des Aprilia zu erleben, der als sein geistiges Erbe galt, oder das Ardea-Projekt weiterzuführen. Seine Ehefrau Adele übernahm daraufhin die Unternehmensleitung und führte beide neuen Lancia-Modelle zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgreich in den Markt ein.
Das Design von Aprilia und Ardea orientierte sich am in den USA populären Streamline-Stil, der mit aerodynamischen Formen ursprünglich aus der Luftfahrt entwickelt wurde und später Züge und Autos stilistisch sowie technisch prägte. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben, noch ohne die wissenschaftliche Bestätigung durch Windkanaltests, aber dennoch mit Unterstützung des Polytechnikums Turin untersucht, ließ sich die Gesamtform in ein Ei einzeichnen, das damals als die effizienteste aerodynamische Form galt. Es muss jedoch betont werden, dass ein so innovatives Design nicht nur funktional war, sondern auch ein Symbol der Modernität sein wollte.
Von welcher Seite auch immer man die beiden Fahrzeuge betrachtete, erkannte man die Ähnlichkeiten: Der Schildkühler bildete den Kühlergrill mit den tropfenförmigen Scheinwerfern an den Kotflügeln, die die Motorhaube umrahmten, die geneigte Windschutzscheibe und an den Seiten die charakteristischen Türen mit unsichtbaren Scharnieren, Türen ohne B-Säule, die sich gegenläufig öffneten. Das Heck war durch die durchgehende Wölbung, die vom Dach ausging und unten in der Stoßstange endete, stark verjüngt, wodurch die Wölbung der hinteren Kotflügel betont wurde. Aprilia und Ardea hatten vor allem die Karosseriearchitektur gemeinsam, die wie bei allen Lancia-Modellen seit dem Lambda tragend war und daher keinen traditionellen Rahmen benötigte.
Andererseits gibt es Unterschiede, die sich nicht nur auf die geringeren Abmessungen des Ardea beziehen. Die Motorhaube ist unterhalb der Windschutzscheibe angebracht, um auch den Kühlergrill nach oben zu verlagern, sodass er nicht mehr wie in der Vergangenheit und bei Aprilia aus zwei separaten schmetterlingsartigen Elementen besteht. Hinten gab es keine Öffnung zum Kofferraum von außen. Dieser war nur durch Umklappen der Rücksitzlehne zugänglich. Nur eine kleine Öffnung hinter dem Nummernschild ermöglichte den Zugang zum Reserverad und zu den Werkzeugen für kleinere Reparaturen. Die Heckscheibe war bei den ersten Serien in zwei Teile geteilt.
Die einzigen Gemeinsamkeiten mit dem Motor des Aprilia waren die vier Zylinder und der enge Gabelwinkel. Der Motor des Ardea zeichnete sich jedoch durch ein ebenso originelles wie innovatives System aus, das nur eine einzige Nockenwelle verwendete, um alle Ventile anzusteuern. Es handelte sich um die Umsetzung eines der letzten Patente, die aus dem Genie von Vincenzo Lancia und seinen Mitarbeitern stammten. Die Welle befand sich am Zylinderkopf und wurde von einer Kette mit automatischem Spanner angetrieben. Sie wirkte über Z-förmige Kipphebel auf die Ventile. Die Brennräume waren halbkugelförmig, was zu dieser Zeit als die beste Lösung galt, wobei die beiden Ventile pro Zylinder so ausgerichtet waren, dass sie von den spezifischen Kipphebeln erreicht werden konnten. Der Hubraum war mit 903 cm³ sehr gering und leistete 28 PS. Eine nicht besonders hohe Leistung, aber dennoch ausreichend, um den kleinen Lancia auf über 105 km/h (108 in der ersten Serie) zu beschleunigen.
Zu den Merkmalen des kompakten Motors mit engem Gabelwinkel gehörte die äußerst kompakte Abdeckung der Ventiltriebe, die sich durch das einzigartige Ventilsteuerungssystem ergab: Sie wurde aus synthetischem Material „Made in Italy” hergestellt, um Metall einzusparen. Vor allem aber bestach er durch seine Effizienz, die für die damalige Zeit einen sehr geringen Verbrauch von 7,5 l/100 km ermöglichte, was angesichts der schwierigen Versorgungslage während des Krieges kein unerhebliches Detail war. Darüber hinaus war der Motor, ganz im Sinne des sprichwörtlichen Augenmerks für den Komfort der Lancia-Fahrzeuge, über winzige Cantilever-Blattfedern an der Karosserie befestigt, um Vibrationen zu absorbieren.
Die Geräumigkeit und der bequeme Einstieg gehörten von Anfang an zu den Stärken, während die Mechanik im Laufe der Entwicklung immer ausgefeilter wurde: Klein bedeutete nicht nur sparsamer, ganz im Gegenteil.
Die Kompaktheit des Motors, der ursprünglich mit einem Vierganggetriebe gekoppelt war, ermöglichte es, ihn fast auskragend gegenüber der Vorderachse zu positionieren, wodurch genügend Platz für die vier Personen im Innenraum geboten wurde. Die unabhängige Vorderradaufhängung folgte dem ausgeklügelten Schema des Aprilia, während die Hinterachse auch aus Kostengründen über eine starre, mit Blattfedern aufgehängte Brücke verfügte. Der Innenraum war aufgrund der unterschiedlichen Verjüngung im hinteren Teil sogar etwas geräumiger als der seiner großen Schwester, immer mit dem charakteristischen, durch die gegenläufig öffnenden Türen erleichterten Zugang aufgrund des fehlenden Mittelpfostens.
Mit der unvermeidlichen Unterbrechung während des Krieges gliederte sich die Produktion des Lancia Ardea, die Anfang 1940 begann, in vier Serien: In der ersten wurden neben der Limousine (auch als 250 bekannt) einige Fahrgestelle für Karosseriebauer (350) hergestellt, vor allem aber eine Version mit verlängertem Radstand und sieben Sitzen, die den Namen Taxi Roma (450) trug. Die zweite Serie folgte der ersten und konzentrierte sich ausschließlich auf die Produktion der Limousine.
Von 1945 bis 1953 wurden die dritte und vierte Serie produziert, die sich durch eine neue Kofferraumklappe und eine Heckscheibe aus Einfachglas auszeichneten. Die Mechanik wurde durch eine 12-Volt-Elektrik, vor allem aber durch ein Fünfganggetriebe aufgewertet, eine weltweit einzigartige mechanische Weiterentwicklung für einen Nicht-Sportwagen mit einem Hubraum von weniger als einem Liter. Mit der vierten Serie kam der neue Aluminiumzylinderkopf zum Einsatz, der zusammen mit weiteren Verbesserungen die Leistung auf 30 PS und die Höchstgeschwindigkeit auf 110 km/h steigerte. Es wurden noch einige 350er-Fahrgestelle produziert, doch interessanterweise entstanden zwei neue Versionen, der 550er und der 650er, jeweils als Lieferwagen und Kleinlaster, die zwar nicht schnell, aber ungewöhnlich elegant waren und für den Wiederaufbau in der unmittelbaren Nachkriegszeit gedacht waren.
Der Lancia Ardea wurde nicht mit sportlichen Ambitionen entwickelt. Außerdem bremste der Weltkrieg auch die Verwendung durch Gentlemen-Driver. Bemerkenswert blieb die Teilnahme des Teams Coda-Damma 1947 an der ersten Nachkriegsausgabe der Mille Miglia. Mit dem 26. Platz in der Gesamtwertung gewann Mario Coda, der bereits in früheren Ausgaben am Steuer eines Lancia Lambda gefahren war, mit dem kleinen Ardea die Klasse bis 1.100 cm³ und schlug damit eine Schar von Fiat 1.100, die aufgrund ihres größeren Hubraums klar favorisiert waren.
Die Gründe, die damals zur Entwicklung von Schwestermodellen führten, lagen nicht nur in den Skalierungseffekten durch die gemeinsame Nutzung von Komponenten, sondern vielmehr in dem Bestreben von Lancia, seinen Kunden eine hohe Qualität in Bezug auf Technik, Materialien und Konstruktion zu bieten und die gleichen Eigenschaften in Fahrzeugen verschiedener Segmente zu garantieren: kleiner bedeutete nicht nur billiger, sondern im Gegenteil, wie das innovative Ventilsteuerungssystem und der Einbau eines Fünfganggetriebes bewiesen. Mit der zunehmend industriellen Fertigung in den 1960er Jahren, die trotz weiterhin hoher Sorgfalt weniger handwerklich geprägt war, wurden deutlich mehr Bauteile modellübergreifend eingesetzt. Wie an den Schwestermodellen Lancia Flavia und Fulvia ersichtlich, verfolgte man damit gezielt wirtschaftliche Vorteile.
Im Heritage HUB Stellantis in Turin ist ein Exemplar des Lancia Ardea in der Abteilung „Small & Safe” ausgestellt, nicht nur wegen seiner Kompaktheit. Vincenzo Lancia hatte sich schon vor vielen anderen Herstellern seiner Zeit für den Schutz der Insassen bei Unfällen eingesetzt, beginnend mit dem Lancia Augusta aus den frühen 1930er Jahren. Die tragende Karosserie aus miteinander verschweißten Pressblechen bildete eine strukturelle Hülle, in der der Innenraum zum Vorläufer der später immer weiter perfektionierten Sicherheitszellen wurde.