Schon der erste Wagen der neu gegründeten Lancia &C. zeichnete sich durch mechanische Feinheiten aus und offenbarte technische Qualitäten, die die Autos aus Turin von Beginn an für den sportlichen Einsatz qualifizierten.
Wir befinden uns an den Anfängen des Kraftfahrzeugs: Am 29. November 1906 gründete Vincenzo Lancia, ehemaliger Testfahrer und offizieller Fiat-Fahrer, in Turin an der Ecke Via Ormea und Via Donizetti die Automobilfabrik Lancia & C. Ihm zur Seite stamd ein weiterer ehemaliger Fiat-Testfahrer, Claudio Fogolin. Im darauffolgenden Jahr war das erste Fahrgestell mit Motor fertig, das dank mechanischer Verfeinerungen eine höhere Motordrehzahl als die Autos der damaligen Zeit ermöglichte: Dieser Vorteil erlaubte es, mehr Leistung zu erbringen und sich als avantgardistische technische Lösung zu profilieren.
Das Debüt eines kompletten Autos fand 1908 im Rahmen des Turiner Autosalons mit der Präsentation des Lancia Tipo 51 statt. Im Jahr 1919 schlug Vincenzos Bruder Giovanni, ein Professor für Literatur, vor, die Buchstaben des griechischen Alphabets für die Benennung der Autos zu verwenden: So wurde Alpha der Buchstabe, der rückwirkend dem ersten Auto gegeben wurde. Wie bei der ersten Produktion üblich, deren Namensgebung mit dem damals in Italien geltenden Steuersystem zusammenhing, lautete der vollständige Name demnach Lancia Alpha 12 HP.
Der Tipo 51 wies die mechanische Präzision auf, die in weiterer Folge für alle Lancia charakteristisch sein sollte: So meldete das Turiner Unternehmen im Laufe der Jahre zahlreiche Patente für technische Innovationen an.
Der Motor bestand aus zwei Zweizylinderblöcken, die zu einem Reihenvierzylinder gekoppelt waren. Die Verwendung von sorgfältig aufeinander abgestimmten Materialien zeugte bereits von technischem Scharfsinn, der aus der Erfahrung im Rennsport resultierte: Der Kopf war fest, die beiden Zylinderblöcke waren aus Gusseisen, das Kurbelgehäuse aus Aluminium. Die Nockenwelle und die seitlichen Ventile, die Hochspannungs-Magnetzündung und der Lancia-Vergaser vervollständigten den Motor. Die ersten Exemplare mit 2.543 cm³ leisteten 24 PS bei 1.450 Umdrehungen pro Minute, eine Drehzahl, die bald auf 1.800 Umdrehungen pro Minute anstieg und damit die Leistung auf 28 PS erhöhte.
Aber nicht nur der Motor war bemerkenswert: Innovativ war auch das Getriebesystem, das zu dieser Zeit normalerweise aus paarweise angeordnete Ritzel, Kronen und Ketten bestand, wie bei den ersten Motorrädern. Lancia hingegen verwendete eine Welle mit Kardangelenken, um die Bewegung auf die Hinterräder zu übertragen: eine saubere, robustere und zuverlässigere Lösung, die später von allen Automobilherstellern übernommen wurde.
Der allgemeine Aufbau basierte auf einem robusten Stahlrahmen, der sich aus Längs- und Querträgern zusammensetzte, um die mechanischen Teile und das Fahrgestell zu verankern, auf denen dann die Karosserie befestigt war.
Neben dem kompletten Fahrgestell bot der Lancia-Katalog nicht weniger als fünf verschiedene Karosserievarianten an: Luxus-Coupé, Doppel-Phaeton, Limousine, Landaulet in zwei Versionen mit festem oder herausnehmbarem Mittelteil. Zwischen 1907 und 1909 wurden 108 Einheiten hergestellt, hinzu kamen einige „Corsa“-Exemplare, wahrscheinlich nicht mehr als fünf. Außer in Italien hatten die 12 HP auch im Ausland Erfolg, vor allem in Großbritannien, aber auch in den Vereinigten Staaten.
Von seinen Mechanikern angespornt, brachte Vincenzo Lancia die Sportversion des 12 HP in den Wettbewerb. Der Erfolg gelangte über den Ozean, und der Lancia Alpha Sport 12 HP errang seine wichtigsten Siege in den USA.
Der Jungunternehmer aus Fobello war anfangs gegen den direkten Einsatz bei Rennen: Er hatte einige Bedenken, weil er die hohen Kosten und den beträchtlichen Aufwand an Zeit und Personal kannte. Aber es waren seine Mechaniker, allen voran Fogolin, die ihn anspornten und den unter den ersten Automobilherstellern erwachten Wettbewerbsgeist weckten, da sie in den Rennerfolgen eine gute Möglichkeit sahen, den wohlhabenden Kunden die Qualitäten ihrer Autos zu demonstrieren.
Aus einer Reihe von Coupés entstanden die als Sport bezeichneten Rennversionen, die um überflüssige Bauteile erleichtert wurden, denn schon damals war klar, wie sehr das Gewicht die Leistung beeinflusste. So verschwanden die hintere Kabine und die Beifahrersitze: Ohne die Karosserie wog das Chassis nur noch knapp über 700 kg.
Das Grundlayout blieb unverändert, mit der innovativen Starrachsen-Vorderradaufhängung auf halbelliptischen Längsblattfedern. Die weitgehende Verwendung von Holz, nicht nur für den Boden, sondern auch für die Speichenräder, trug dazu bei, das Gewicht niedrig zu halten. Unter den Metalllegierungen zeichnete sich Messing durch seine Verformbarkeit bei mechanisch nicht beanspruchten Teilen aus, wie z. B. bei Wasserkühlerelementen, Leitungen, Leisten und verschiedenen Zubehörteilen.
Das Bremssystem, eines der wirksamsten der damaligen Zeit, wurde über ein Fußpedal betätigt, das auf die Antriebswelle einwirkte, während die beiden Trommeln an den Hinterrädern über einen Hebel auf der rechten Seite des Fahrers neben dem Vierganggetriebe gesteuert wurden. Die Lenkung befand sich auf der rechten Seite, da es auf den noch ungepflasterten Straßen der damaligen Zeit sinnvoller war, die unbefestigten Straßenränder im Auge behalten zu können. Viele Jahre lang blieb es ein Merkmal, fast eine besondere Eigenart, der „Lancisti“: Autos mit Rechtslenkung zu besitzen und zu fahren.